Deflation – das Gegenstück zur Inflation
Unsere Welt befindet sich im Umbruch. Mittel- bis langfristig, so sagen Experten, ist mit Turbulenzen an den Finanzmärkten zu rechnen. Global gesehen werden sie komplexe Auswirkungen auf die Gesellschaften haben. Wohin die Reise geht, ist bisher kaum abzusehen. Gefühlt befinden wir uns jedenfalls in einer inflationären Phase. Allerdings gibt es Insider, die eine Welle der Deflation auf die Welt zurollen sehen. Doch was ist unter diesem Begriff zu verstehen und welche Konsequenzen kann ein solches Szenario haben?
Deflation vs. Inflation
Die Deflation verhält sich konträr zur Inflation. Kurz gesagt: Während bei einer Inflation das allgemeine Preisniveau steigt und sich der Wert des Geldes verringert, passiert bei einer Deflation das Gegenteil: Die Preise purzeln, der Wert des Geldes steigt, dafür ist nicht so viel im Umlauf. Es entsteht eine bedrohliche Situation. Dem gesamtwirtschaftlichen Güteraufkommen steht eine zu geringe Geldmenge gegenüber. Die Industrie verkauft weniger als nötig wäre, um sich am Leben zu erhalten. Die Spirale dreht sich abwärts. Betriebe müssen Mitarbeiter entlassen oder schließen ihre Pforten – das Arbeitslosenheer wächst.
Welche Ursachen hat eine Deflation?
Eine Deflation kann verschiedene Ursachen haben. Hierbei wirken mehrere Kräfte zusammen, die letztlich zu einer Deflationsspirale führen. Sie im Detail zu benennen ist schwierig. Zwar gibt es in der Vergangenheit genügend
Beispiele, die man zurate ziehen kann, dennoch muss jeder Deflationsansatz im Kontext mit der Zeit und den Umständen betrachtet werden. Die wichtigsten Gründe, die eine Deflation auslösen und verschärfen, sind im wirtschaftlichen Bereich zu suchen. Einmal sind es die Privathaushalte, welche sich bei ihren Einkäufen zurückhalten. Zum Zweiten die Unternehmen, die aufgrund dieser schlechten Nachfrage ihre Produktion drosseln und Investitionen kürzen.
Dabei greift ein Rädchen ins andere. Die Betriebe entlassen Mitarbeiter, die danach weniger Geld zur Verfügung haben. Und diejenigen, die noch in Arbeit sind, sichern und schützen ihr Vermögen. Getrieben von Existenzängsten und negativen Zukunftserwartungen sägen sie sich unwissentlich den Ast ab, auf dem sie sitzen. Dasselbe trifft weltweit gesehen auf Exporte zu. Halten sich ausländische Wirtschaftspartner zurück, sinkt das inländische Produktionsaufkommen. Doch nicht nur die Wirtschaft, auch eine falsche Politik kann ihr Scherflein zum Entstehen einer Deflationsspirale beitragen. Nämlich immer dann, wenn der Staat beginnt, seine Ausgaben zu kürzen und weniger in die Märkte investiert. Ebenfalls wäre es schlecht, sollten Zentralbanken ihre Leitzinsen erhöhen. In diesem Fall würden Kredite teurer. Die Folge: Unternehmen und Privathaushalte würden nicht ausreichend investieren oder konsumieren.
Folgen einer Deflation und Auswirkungen auf die Bevölkerung
Aufgrund einer möglicherweise entstehenden Deflationsspirale gehen deren Ursachen und Folgen nahtlos ineinander über. Das heißt, die Ursachen werden zu Folgen und umgekehrt. In der Anfangsphase einer Deflation tritt zunächst ein positiver Aspekt ein. Infolge der sinkenden Nachfrage entsteht ein Überangebot und die Preise stürzen. Schön für die Verbraucher, denn sie erhalten jetzt mehr für ihr Geld. Sicher nutzen das die meisten aus.
Was sie jedoch nicht ahnen: Sie leben in einer gefährlichen Scheinwelt. Spätestens wenn das Geld knapp wird und schlechte Verkaufszahlen branchenübergreifend breiteste Teile der Wirtschaft, ganze Länder sowie Kontinente erfassen, zieht er sie mit in ein abgrundtiefes Loch. Auf staatliche Rettung braucht auf dem Höhepunkt einer Deflation keiner zu hoffen. Die Regierenden verzeichnen sinkende Steuereinnahmen, und da die meisten Staaten extrem verschuldet sind, können sie ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen. Höchste Zeit für eine neue Weltordnung könnte der ein oder andere sagen – das aber soll nicht Teil dieser Betrachtung sein.
Beredtes Beispiel einer Deflation ist die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre. Von 1929 bis 1932 kam es in vielen entwickelten Industrieländern zu einem enormen Rückgang der Verbraucherpreise. Allein in Deutschland sanken sie um rund 30 Prozent. Wie wir aus den Geschichtsbüchern, vielleicht auch den Erzählungen der Groß- und Urgroßeltern wissen, konnten die Unternehmer nicht im selben Ausmaß die Löhne senken. Sie mussten ihre Arbeiter und Angestellten entlassen. Schon damals waren die Folgen verheerend. 1929 hatte Deutschland 1,9 Millionen Arbeitslose, 1932 waren es bereits 5.6 Millionen. Nicht auszudenken, was bei der heute weitaus enger vernetzten Weltwirtschaft passieren würde. Lesen Sie hier alles zur Weltwirtschaftskrise.
Wer wären die Gewinner und wer die Verlierer einer Deflation?
Um es pauschal vorwegzunehmen: Die meisten Menschen würden bei einem solchen Szenario das Nachsehen haben. Einmal natürlich das große Heer der Arbeitslosen, zum anderen alle Kreditschuldner. Zwar nähme der Geldwert ständig zu und sie bekämen mehr Waren für ihren Kredit, de facto jedoch würden ihre Schulden steigen. Nicht zahlen-, zumindest aber wertmäßig, was gleichfalls auf die Schuldzinsen zuträfe. Selbst manche Investoren sind der Meinung, eine Deflation wäre riskanter als eine Inflation. Auch sie haben Angst, zu den Opfern dieses Dilemmas zu gehören. Der Grund ist simpel. Wie bereits die Krise 1929 bis 1932 gezeigt hat, würden im Falle einer Deflation die Aktienkurse weltweit einbrechen und riesige Vermögen vernichten. Ebenso hätten Immobilienbesitzer das Nachsehen. Ihre Häuser würden im Verkehrswert sinken und Mieteinnahmen zurückgehen. Wer aber könnte aus solch einer Krise profitieren? Übrig bleiben eigentlich nur die Gläubiger, nämlich Banken und die hinter ihnen stehende Hochfinanz. Sie würden ihr Geld behalten und weiter die im Wert gestiegenen Zinsen kassieren.
Deflation oder Inflation – was wird kommen?
Die Frage ist: Wird es mittel- oder langfristig überhaupt zu einer Krise kommen und wenn ja, handelt es sich bei ihr um eine Inflation oder Deflation? Die Expertenmeinungen gehen auseinander. Laut dem Schweizer Finanzportal finanzen.ch sieht die Chefin der Investmentgesellschaft ARK, Cathie Wood, eher eine Deflation auf uns zurollen. Trotzdessen wir momentan der aktuellen Lage geschuldet inflationäre Tendenzen zu verzeichnen haben, werden die Weltmärkte wohl eine Deflation zu verkraften haben, meint sie. Erkennen will sie das am Preisrückgang der wichtigsten Technologieplattformen:
- der DNA-Sequenzierung
- der Robotik
- der Energiespeicherung
- der künstlichen Intelligenz
- der Blockchain-Technologie
Ob sie recht behält, bleibt abzuwarten. Hoffen wir, dass es den Verantwortlichen gelingt, eine solche Krise abzuwenden.
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Claudia Rothenhorst ist Redakteurin für betriebswirtschaftliche Themen im Blog von docurex.com.