EZB

Niedrige Zinsen – Die EZB ändert langsam ihre Geldpolitik

Die Europäische Zentralbank (EZB) muss ab 2018 ihre Geldpolitik ändern. Auf dem Treffen mit internationalen Währungsexperten im Juli bereitete EZB-Chef Draghi die anwesenden Experten und die Märkte auf eine Veränderung beim Anleihekaufprogramm vorsichtig vor. Die EZB-Politik des sehr leichten Geldes wird damit ab dem kommenden Jahr eingeschränkt. Ob damit auch von der Nullzinspolitik so schnell abgewichen wird, ist aber fraglich. Auch interessant: wie ein Datenraum für Anleger von Nutzen sein kann.

Finanzmärkte reagieren auf Draghis Bekanntmachung

Die Aussagen von EZB-Chef Draghi, die Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank in wenigen Monaten zu beenden, hat für unerwartet starke Bewegungen auf den Finanzmärkten gesorgt. Auf den Aktienmärkten war eine Kurskorrektur zu beobachten, die bestbewerteten Staatsanleihen liefern wieder eine Rendite. Die zehnjährige Bundesanleihe liegt erstmals seit über einem Jahr wieder bei mehr als 0,5 Prozent Zinsertrag pro Jahr – ausgehend von einer Null- oder gar negativen Rendite für langjährige Anleihen noch vor einem dreiviertel Jahr ist das schon eine spürbare Steigerung. Die Talsohle bei den Zinsanlagen scheint damit durchschritten, wenngleich eine halbprozentige Rendite noch immer deutlich unter der Inflationsrate liegt und damit die Realverzinsung weiterhin negativ ist.

Starke Reaktion vor allem auf die Handlungslimiterung der EZB zurückzuführen

ezb anleiheDie verhältnismäßig starke Reaktion der Finanzmärkte auf die beruhigend gemeinten und eher unkonkreten Aussagen von EZB-Chef Draghi zum Ende der Anleihekäufe liegt vor allem darin begründet, dass vielen Marktakteuren wieder bewusst geworden ist, dass die EZB keine andere Wahl hat, die Anleihekäufe Anfang 2018 zu stoppen. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshof, das den Anleihekauf der EZB nur in bestimmten Grenzen und unter festen Bedingungen erlaubt hatte.

Eine dieser Auflagen vom Europäischen Gerichtshof ist eine Grenze bei den Anleihekäufen. Von den ausstehenden Wertpapieren eines Staates darf die EZB nicht mehr als ein Drittel aufkaufen. Im Falle eines Schuldenschnitts soll die EZB nämlich nicht ein Großschuldner mit Vetorecht werden. Diese Grenze von einem Drittel der ausstehenden Staatsanleihen hat die Europäische Zentralbank in wenigen Monaten für die noch immer kriselnden Länder Portugal und Italien, aber auch für Deutschland, erreicht. Daraus folgt unmittelbar ein baldiger Stopp der Anleihekäufe mindestens aus diesen Ländern – und damit auch ein weitgehendes Ende des Anleihekaufprogramms.

Erholung der europäischen Volkswirtschaft

Die durch die europäischen Richter gesetzten Grenzen werden dabei zu einem Zeitpunkt erreicht, indem das Ende der Anleihekäufe auf gute volkswirtschaftliche Daten trifft und eine weniger lockere Geldpolitik die europäische Wirtschaft auch nicht hemmen dürfte. Die auf das Ende der Anleihekäufe hinweisenden Worte kommen daher zum richtigen Zeitpunkt. Mit gut zwei Prozent Wirtschaftswachstum kann die gesamteuropäische Wirtschaft die stärkste Wachstumsrate seit einigen Jahren vorweisen. Eine noch im Frühjahr 2016 drohende Deflation scheint abgewendet, auch wenn das Ziel einer zweiprozentigen Inflationsrate noch entfernt ist. Draghis Aussage ist nun der erste Schritt, um nach und nach die Informationen der EZB zum Ausstieg aus dem Anleihekaufprogramm zu verkünden.

Anleihekauf wird voraussichtlich schrittweise eingestellt

So wie die EZB durch eine schrittweise Weitergabe an Informationen zu ihren Plänen zum Ausstieg aus dem Anleihekaufprogramm die Finanzmärkte nach und nach darauf vorbereiten möchte, wird auch der Ausstieg selbst vermutlich schrittweise erfolgen. Es wird auf der nächsten EZB-Sitzung im September wohl ein detaillierteres Statement zum Ausstieg aus dem Anleihekauf folgen. Zu erwarten ist erst einmal eine Aussage zur Reduktion der Anleihekäufe, in späteren Aussagen folgen dann die genaueren Schritte.

Der Ausstieg der EZB aus dem Anleihekauf dürfte dabei weniger automatisiert ablaufen, als es die US-amerikanische Notenbank vorgemacht hat. Dort hatte man sich für eine automatische monatliche Reduktion der Anleihekäufe über ein Dreivierteljahr entschieden. Die EZB wird sich hier flexiblere Lösungen vorbehalten.

Aktuell kauft die EZB Anleihen in Wert von 60 Milliarden Euro jeden Monat. Ab Januar wird die EZB das Kaufvolumen vermutlich auf 40 Milliarden Euro reduzieren und die Wirkung dieser Entscheidung zunächst analysieren. Im Frühsommer 2018 könnte dann die nächste Kürzung folgen, bis im Herbst 2018 das Anleihekaufprogramm ganz eingestellt wird.

Ende des Anleihekaufs kein Indikator für ein Ende der Nullzinspolitik

ezb nullzinsSelbst wenn die EZB ihre Anleihekäufe ohne den höchstrichterlichen Zwang beendet hätte, bedeutet das noch nicht, dass sie an ihren anderen Stellschrauben der Geldpolitik dreht. Insbesondere eine Änderung der Zinsen scheint, außer Frage zu stehen – eine Abkehr von der Nullzinspolitik somit zunächst einmal sehr unwahrscheinlich. Trotz verbesserter volkswirtschaftlicher Daten ist die Inflation im Euroraum noch immer zu niedrig, um die Zinsen anzuheben. Auch die strukturellen Probleme im Finanz- und Bankenwesen, vor allem das Interbankengeschäft, sind noch nicht überwunden. Vor 2019 wird die EZB kaum an die Zinsen herangehen.

Selbst wenn ab 2019 sich die wirtschaftlichen Rahmendaten verbessern, dürfte die EZB in ihrer Zinspolitik sehr vorsichtig zu Werke gehen. In einem ersten Schritt würde sicherlich der negative Einlagezins für Übernachteinlagen bei der EZB zur Diskussion stehen. Erst in der Folge sind kleine Leitzinsanhebungen denkbar. Hier wird die EZB sicherlich ähnlich vorsichtig und zurückhaltend agieren, wie die US-Notenbank es zurzeit vormacht. Mittelfristig sind somit weiter sehr niedrige Zinsen zu erwarten.

Situation für Anleger und Investoren bleibt schwierig

Weltweit wird die sehr drastische Zinspolitik der Zentralbanken wieder etwas zurückgenommen werden. Überschussliquidität wird erstmalig nach den ganzen Krisenjahren seit 2008/09 wieder sinken. Zinsen für bestimmte Anlageformen wie Tagesgeld werden sich in naher Zukunft kaum weit genug erholen, um langfristig für Investoren interessant zu sein. Die leicht ansteigenden Zinsen vor allem für Staatsanleihen dürften die Aktienkurse mittelfristig sinken lassen und für mehr Volatilität sorgen. Anleger müssen sich damit wieder mehr Gedanken machen, wie sie ihr Vermögen erhalten wollen.